
Kunst & Nüchternheit
Was ich nicht in Worte fassen kann, bringe ich auf Papier. Hätte ich früher erkannt, dass es nur einen Stift und ein leeres Blatt braucht, hätte ich vielleicht nie zum Alkohol gegriffen.
Mein Name ist Titilayo, und ich habe mit 16 Jahren begonnen, allein zu trinken. Was zunächst nach einem Ausweg aussah, wurde irgendwann zur Qual. Die Wut darüber, mich selbst in das kleinste Gefängnis der Welt gesperrt zu haben – das Gefängnis der Abhängigkeit – hat mich schließlich dazu gebracht, mich meiner Sucht zu stellen. Am 03.01.2019 habe ich aufgehört zu trinken.
Die Entstehung meiner Bilder
Meine Bilder entstehen in den Momenten, in denen Worte nicht ausreichen, um das auszudrücken, was in mir vorgeht. Sie sind wie eine Reflexion meines inneren Zustands, eine visuelle Sprache, die mich tiefer verbindet – mit mir selbst und der Welt um mich herum. Wenn ich den Stift über das Papier führe, fließen die Gefühle, die ich lange unterdrückt habe. Es ist, als würde ich Stück für Stück das Chaos in mir ordnen und ihm Form verleihen.
Jedes Bild ist ein Teil meiner Reise. Es ist eine Befreiung, eine Heilung und eine Möglichkeit, mich mit dem, was in mir vorgeht, auseinanderzusetzen – ohne Alkohol, aber mit einem Stift in der Hand.

Angi
Dieses Bild entstand in dem Moment, als mir bewusst wurde, dass unsere Freundin Angi sterben würde. Fucking Krebs. Sie starb in der Woche, in der wir eigentlich gemeinsam in Portugal am Pool liegen und noch einmal zusammen lachen wollten. Es sollte ein letzter Abschied werden, aber uns blieb nicht genug Zeit. Ihre Abwesenheit hat eine Leere hinterlassen, die ich auf Papier festhalten musste. Angi starb am 25.05.2022.
Die Frauen vom Hansaplatz
Ich habe in einem Kiosk am Hansaplatz gearbeitet und dabei eine Parallelwelt erlebt, die von Gewalt, Prostitution und Drogen geprägt ist. Junge Frauen und Männer stehen dort täglich, um zu überleben, gezeichnet von Sucht und Armut. Diese Erfahrungen, die mich tief bestürzt haben, aber auch wertvolle Einblicke gaben, habe ich in einem Bild verarbeitet. Es heißt "Die Frauen vom Hansaplatz" und stellt symbolisch eine schützende Mutterfigur dar, die alle, unabhängig ihrer Umstände, liebevoll annimmt.


Guilty & Shame
Dieses Bild ist eine Auseinandersetzung mit Schuld und Scham. Wie oft habe ich mich gefragt: Wie viel Zeit hätte ich mit meinem Kind verbringen können, wenn ich nicht getrunken hätte? Wie viele toxische Beziehungen hätte ich vermeiden können? Was habe ich meinem Körper angetan? Doch trotz dieser Dunkelheit gab es auch Licht. Viele dieser verrückten und intensiven Momente gehören zu meiner Geschichte – und auch sie sind es wert, erzählt zu werden.
Drowning
Als Kind hatte ich meine ersten Panikattacken, das Gefühl, keine Luft zu bekommen, zu ersticken. Dieses Ertrinken im „Zuviel“ – an Emotionen, an Gedanken – hat mich mein Leben lang begleitet. Erst als ich aufhörte zu trinken und begann, mich wirklich mit meiner Sucht auseinanderzusetzen, fand ich die Luft zum Atmen. Dieses Bild spiegelt genau diese überwältigenden Gefühle wider, die mich fast ertränkt hätten, bevor ich den Weg zur Heilung fand.
